Ich bin ja von dieser Krankheit befallen, daß ich alles, was irgendwie populär ist, erstmal ablehne. Das beruht natürlich auf der Erfahrung, daß die Masse den denkbar durchschnittlichsten = schlechtesten Geschmack hat (siehe z. B. kommerzielle, nicht-staatliche Radiosender) und als Konsequenz daraus, Dinge, die allgemein gemocht werden, nicht wirklich aufregend oder extraordinär, sprich gut, sein können. Daß man sich dadurch auch eine Menge verschließt wird mir in letzter Zeit immer wieder klar, jüngstes Beispiel ist Harry Potter.
Die Potter-Manie habe ich damals von Ferne beobachtet und irgendwann mal aus Langeweile den ersten Potter-Film teilweise im Fernsehen gesehen, das wurde mir aber sehr schnell öde. Im Goethe Institut in Istanbul widmete eine ältere Ausgabe von Literaturen sich dem Phänomen und als sich mir dann die Möglichkeit, bot Harry Potter als Zeitvertreib auf endlosen Bahnfahrten durch deutsche Lande zu hören habe ich die Chance ergriffen. Die UK-Fassung wohlgemerkt, gelesen vom wunderbaren Stephen Fry.
Und, was soll ich sagen, ich mag Harry Potter. Natürlich ist das keine große Literatur sondern vor allem Unterhaltung (und ja auch deswegen so erfolgreich, es ist das ewige ProblemPhänomen, was in irgendeiner Weise hintergründig oder essentiell ist, kann vom Durchschnittsbürger nicht verarbeitet werden) und es gibt immer wieder Passagen, die für meinen Geschmack zu sehr für eine pupertierende Teenager-Zielgruppe geschrieben sind aber im großen und ganzen wird man halt mehr als gut bedient. Rowling meistert die große Aufgabe der Fantasy-Literatur, einen eigenen, überzeugenden Kosmos zu schaffen bravourös, die Geschichte ist immer wieder spannend und es gibt einen Haufen liebenswerter Charaktere (mein Favourit ist natürlich Luna Lovegood).
Mein Held Wiglaf Droste holte damals auf der Höhe der Potter-Welle zum Rundumschlag nicht nur gegen Harry Potter sondern gegen Fantasy im Allgemeinen aus: »Fantasy ist das Gegenteil von Fantasie, das braucht kein Kind und kein Erwachsener« hieß es da. Das sehe ich anders, Fantasy-Literatur kann im besten Fall auch ein Spiegel der Realität sein und wenn sie es nicht ist, ist mir eine Realitätsflucht auch sehr recht.